Härtefallklauseln in internationalen Lieferverträgen
Können exorbitant gestiegene Zölle ebenso wie höhere Gewalt („force majeure“) zu Vertragsauflösungen führen? Wer zahlt für den Schaden aus Unterbrechungen einer Lieferkette? Ein Blick auf das internationale und deutsche Kaufrecht sowie auf Lieferbedingungen und (Härtefall-)Klauseln in Kaufverträgen.

Das US-amerikanische Vorgehen führt zu äußerst großer Unsicherheit in der gesamten Weltwirtschaft. Auch das zeitweise Aussetzen oder zumindest Reduzieren schon verkündeter Strafzölle stellt vielleicht eine Atempause dar, bietet jedoch keine endgültige Entspannung. Wenn die Zölle z. B. zwischen USA und China jetzt reduziert wurden, so liegen sie doch in Höhen, die vor einigen Monaten noch als unmöglich angesehen wurden. Die Drohung von weiteren Zollerhöhungen steht weiter im Raum.
Privatrechtliche Verträge richtig gestalten
Internationale Lieferverträge können durch solche unerwarteten Zölle wirtschaftlich belastet oder gar unmöglich werden. Sie belasten Handelsbeziehungen und Lieferketten spürbar. In den Handelsverträgen sind diese Probleme zu lösen, insbesondere wer als Importeur gilt und somit die Zölle zu zahlen hat.
Die Frage, wer die Zölle trägt, ist meist durch die vereinbarten Lieferbedingungen (Incoterms®) geregelt. In der Regel hat der Käufer die Einfuhr abzuwickeln und die Abgaben zu zahlen. Einzige Ausnahme ist die Klausel DDP. Hier hat der Verkäufer für die Durchführung der Einfuhranmeldung und die Zahlung der Abgaben zu sorgen.
Hilfreiche Vertragsgestaltungen
Viele Verträge enthalten Preisanpassungsklauseln für unerwartete Kostenänderungen. Diese Preisanpassungsklauseln variabilisieren einzelne Positionen, wie zum Beispiel Transportkosten oder Materialkosten, indem diese etwa an eine allgemeine Preisentwicklung angepasst werden, z. B. die Entwicklung der Lohnkosten wird an künftige Tarifabschlüsse oder der Wert des verwendeten Kupfers an einen entsprechenden Index gebunden.
Diese Preisanpassungsklauseln können auch so formuliert sein, dass sie sich z. B. allgemein auf drastische Änderungen der Kostenfaktoren beziehen. Sie können einen Anknüpfungspunkt für die nachträgliche Änderung der Verteilung der Zollkosten bieten.
Force Majeure-Klauseln („Höhere-Gewalt-Klauseln“) existieren in vielen Verträgen, insbesondere im anglo-amerikanischen Raum. Allerdings allein höhere Kosten gelten typischerweise nicht als höhere Gewalt. Dies ist meist nur dann der Fall, wenn ausdrücklich etwa besondere „wirtschaftliche Härte“ oder „extreme Preisschwankungen“ genannt sind. Wichtig ist auch zu beachten, dass „Force Majeure“ als unbestimmter Rechtsbegriff in unterschiedlichen Gebieten dieser Erde auch unterschiedlich verstanden wird. So werden die Folgen eines Hurricanes in Florida bspw. nicht als Force Majeure betrachtet.
Ähnlich wie „Force Majeure“ können auch Härtefallklauseln hilfreich sein.
Solche Härtefallklauseln erlauben oft Neuverhandlungen oder Vertragsbeendigungen bei drastischen Änderungen der Rechtslage oder des wirtschaftlichen Umfelds. Sie sollten dann beinhalten, dass im Falle von bedeutenden Veränderungen der rechtlichen Regelungen auch Kündigung oder Neuverhandlungen ermöglicht werden.
In Verträgen mit DDP-Klausel werden hin und wieder auch die Zölle im Ganzen oder Zollsatzänderungen berücksichtigt.
Wenn solche Klauseln fehlen, bleibt nur, auf die Kulanz der anderen Partei zu setzen und eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Was sagen die Rechtsordnungen dazu?
Welches Recht anwendbar ist, richtet sich z. B. nach der Rom-I-Verordnung und der Umsetzung im EG-BGB. Maßgeblich ist für die Anwendung des nationalen Rechts der Ort der Erfüllung des typischen Grundgeschäfts. Das ist beim Kauf der Lieferort, der meist im verwendeten Incoterm geregelt ist.
Ohne Rechtswahl greift dann häufig das UN-Kaufrecht (CISG, auch Wiener Kaufrecht) als das Sonderrecht für internationale Kaufverträge zwischen Gewerbetreibenden. Dies gilt so auch in Deutschland.
Nach Art. 79 CISG ist die Nichterfüllung nur bei unvorhersehbaren, unvermeidbaren Hindernissen entschuldigt. (Art. 79 CISG: „Eine Partei hat für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, ... und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen ...“) Zölle sind wohl meist nicht als unvorhersehbar einzustufen.
Die momentane Entwicklung in den USA bietet hier aber Raum für Auslegungsspielräume bezüglich der Urteile in künftigen Verfahren.
Deutsches Recht (§ 313 BGB) erlaubt eine Vertragsanpassung bei schwerwiegender Veränderung der Umstände. (§ 313 BGB: „Haben sich Umstände, ..., nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht ... geschlossen, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, ...“) Aber auch hier ist die Hürde der Unvorhersehbarkeit zentral. Eine Kündigung sollte nur auf klarer rechtlicher Grundlage und nach Prüfung erfolgen, um Haftungsrisiken zu vermeiden, zumal im BGB die Vertragsanpassung klar Vorrang hat.
Nationale oder internationale Rechtsordnung?
Grundsätzliche Überlegungen führen dazu, im internationalen Geschäft, soweit dies möglich ist, auf den Verweis auf die nationale Zivilrechtsordnung zu verzichten. Derzeit ist das UN-Kaufrecht in 97 Staaten ratifiziert. Zusammen mit den auf das CISG abgestimmten Incoterms 2020 ist dies die ideale Rechtsgrundlage, insbesondere wenn es darum geht, in der Praxis nicht bedachte Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Obendrein ist schon die Wahl einer nationalen Rechtsordnung für die andere Partei mit Unsicherheiten verbunden, die zu einem Ungleichgewicht führen können, manchmal sogar der Rechtsordnung des anderen Staates widerspricht.
Weitere Erläuterungen erhalten Sie beispielsweise auf der Website Germany Trade and Invest Strafzölle in internationalen Lieferverträgen oder in der Veröffentlichung „Welche Anforderungen sollen internationale Lieferverträge erfüllen“ von Prof. Dr. Burghard Piltz (Audit Committee Quarterley I/2025, Frankfurt a. M.)
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