Die AWG-Novelle in der Praxis
Mit der EU-Richtlinie 2024/1226 steht eine Änderung des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) im Raum: Stichwort AWG-Novelle. Finden Sie hier die wichtigsten Informationen zur Streichung von § 18 Abs. 11 AWG, der sogenannten Karenzzeit, zusammengefasst.

Sanktionsverstöße werden in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich bestraft. Die Bestrafung liegt im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedsstaats. Das liegt daran, dass es kein EU-Strafrecht gibt. Manche EU-Länder sehen in Sanktionsverstößen eine Art „Ordnungswidrigkeit“, andere, wie z. B. Deutschland sehen in Sanktionsverstößen Straftatbestände (vgl. §§ 18, 19 AWG).
Die EU versucht bereits seit einiger Zeit die Durchsetzung von EU-Sanktionen weiter zu verstärken, deutlich wird dies im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen. Während Embargobrüche in Deutschland Straftatbestände sind, wird in anderen EU-Ländern lediglich ein Bußgeld fällig. Um diese Unterschiede zu beseitigen, verpflichtet die EU-Richtlinie die Mitgliedstaaten, vorsätzliche Verstöße gegen EU-Sanktionen künftig als Straftat im nationalen Recht zu normieren. Dazu zählen Verstöße gegen Finanzsanktionen genauso, wie Verstöße gegen Teil- bzw. Waffenembargos.
Zusätzlich gibt die Richtlinie vor, dass bestimmte Varianten der Sanktionsumgehung und Missachten von Meldepflichten strafbewehrt sein sollen.
Ziel der EU-Richtlinie ist es folglich, Art und Umfang der Strafen bei Sanktionsverstößen in allen EU-Mitgliedstaaten abschreckend und angemessen zu gestalten.
Da Deutschland im AWG bereits sämtliche Verstöße gegen Trade Compliance Vorschriften gem. §§ 18, 19 AWG unter Strafe gestellt hat, wird es hierzu in Deutschland keine allzu großen Änderungen geben.
Streichung des Strafausschließungsgrunds § 18 Abs. 11 AWG
Zu Unsicherheiten in der Praxis führt die Ankündigung, dass § 18 Abs. 11 AWG gestrichen werden soll. § 18 Abs. 11 AWG hat die Straffreiheit für diejenigen vorgesehen, die eine Tat binnen 48 Stunden nach Veröffentlichung der Sanktionsverordnung im EU-Amtsblatt begehen und zum Zeitpunkt der Tat keine Kenntnis von dem Verbot oder dem Genehmigungserfordernis hatte.
Gemeinhin und ohne Kenntnisse im Strafrecht wird mit der Streichung der Wegfall einer Karenzzeit von 48 Stunden gesehen.
TL:DR: Streichung bleibt ohne Bedeutung für Unternehmen, die AEB Compliance Screening nutzen
Um die Antwort vorwegzunehmen, § 18 Abs. 11 AWG hat nie die darin gesehene Karenzzeit geregelt, sondern war immer schon ein Strafausschließungsgrund. Dieser kann nur dann zum Tragen kommen, wenn überhaupt ein Straftatbestand verwirklicht wurde.
Unternehmen, die ihre Geschäftspartner automatisiert mittels Software auf eine mögliche Sanktionierung hin überprüfen, werden mangels Vorsatz den Straftatbestand des § 18 Abs.1c AWG nicht verwirklichen und damit auch nie in den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 11 AWG fallen.
Zur ausführlichen Begründung
Nach § 18 Abs. 1c AWG ist der Verstoß gegen ein Bereitstellungsverbot der EU strafbar. Die Prüfung eines Straftatbestands, vorliegend § 18 Abs 1c AWG erfolgt immer nach folgendem Prüfschema:
- Objektiver Tatbestand: Der objektive Tatbestand des § 18 Abs, 1c AWG ist erfüllt, wenn ein Unternehmen mit einem seitens der EU unter Finanzsanktionen stehenden Geschäftspartner Geschäfte macht.
Eine strafrechtliche Prüfung läuft dann in Schritt 2:
- Subjektiver Tatbestand: Der subjektive Tatbestand ist nur dann erfüllt, wenn ein Unternehmen vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz reicht vom zielgerichteten, absichtlichen Handeln bis zum bedingten Vorsatz dem billigenden in Kauf nehmen.
Entscheidend kommt es in diesem Schritt darauf an: Was wusste und was wollte das Unternehmen? Hier kommt es einzig auf die getroffenen Sorgfaltsmaßnahmen an. Wie hat das Unternehmen das Risiko von Verstößen gegen die EU-Bereitstellungsverbote abgesichert? Welche Sorgfaltsmaßnahmen wurden getroffen?
Jetzt kommt der Nutzung von Compliance Screening von AEB die zentrale Bedeutung zu:
Mit AEB Compliance Screening
Das Unternehmen screent seine Geschäftspartner mit der AEB Compliance Screening Lösung. Das Vorgehen wird im Rahmen eines innerbetrieblichen Exportkontrollsystems (ICP) beschrieben und die Prüfungen werden dokumentiert.
Das Ziel unserer AEB Compliance Screening Kunden ist die Minimierung des Risikos gegen EU-Finanzsanktionen zu verstoßen. Softwarenutzer vertrauen darauf, dass sie mittels Software auf bestehende Bereitstellungsverbote hingewiesen werden.
Ein vorsätzlicher Verstoß ist damit für Softwarekunden grundsätzlich ausgeschlossen. Der subjektive Tatbestand des § 18 Abs. 1c AWG wird von AEB Compliance Screening Nutzern nicht erfüllt.
Das Strafverfahren wird eingestellt und ggf. ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Das hängt jeweils vom konkreten Einzelfall ab.
Wichtig an dieser Stelle: Der Strafaufhebungsgrund des § 18 Abs. 11 AWG wurde schon bisher für AEB-Kunden nie relevant, die Streichung hat somit für die Kunden von AEB keine Bedeutung.
Ohne AEB Compliance Screening
Die Prüfung des subjektiven Tatbestands des § 18 Abs 1c AWG sieht in diesem Fall anders aus. Dies gilt für alle Unternehmen, die ihre Geschäftspartner nicht oder aber manuell prüfen.
Schaut man hier auf die getroffenen Sorgfaltsmaßnahmen, wird insbesondere bei Unternehmen, die ihre Geschäftspartner gar nicht oder nur einmalig bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen prüfen deutlich, dass die Vorsatzfrage anders zu beantworten ist.
Selbst wenn diese Unternehmen nicht bewusst gegen EU-Bereitstellungsverbote verstoßen möchten, so nehmen sie die Verstöße zumindest billigend in Kauf. Das reicht aus, um einen bedingten Vorsatz anzunehmen und den subjektiven Tatbestand des § 18 Abs. 1c AWG zu bejahen.
In diesem Fall geht die strafrechtliche Prüfung weiter mit den Schritten 3 und 4:
- Rechtswidrigkeit: Hier werden mögliche Rechtfertigungsgründe geprüft.
- Schuld: Hier werden Schuldausschließungsgründe geprüft.
Mit diesen 4 Prüfschritten ist die strafrechtliche Prüfung für die Unternehmen, die keine Sorgfaltsmaßnahmen getroffen haben, beendet.
Das Ergebnis lautet: Die Unternehmen haben sich gem. § 18 Abs. 1c AWG strafbar gemacht.
Jetzt wurde bisher der Strafaufhebungsgrund des § 18 Abs 11 AWG relevant. Wenn die verbotene Bereitstellung innerhalb der 48h nach Inkrafttreten der Bereitstellungsverbote ohne Kenntnis von dem Verbot vorgenommen wurde, dann wurde die Strafe aufgehoben. Diese Möglichkeit der Strafbefreiung besteht nach Streichung des § 18 Abs 11 AWG nicht mehr.
Fazit zur Streichung des § 18 Abs 11 AWG
Die Streichung des Strafaufhebungsgrunds § 18 Abs. 11 AWG hat für alle Unternehmen, die das Risiko eines Verstoßes gegen die EU-Finanzsanktionen mit Hilfe der AEB Compliance Screening Lösung minimiert haben, keine Bedeutung.
Bitte beachten Sie: Wichtig wird die Streichung des § 18 Abs. 11 AWG allerdings im Zusammenhang mit der Absicherung von Umgehungsrisiken für Warenlieferungen in Richtung Russland bzw. Belarus. Eine vollständige Automatisierung ist hier nicht möglich. Unternehmen müssen geeignete – auf den Einzelfall bezogene – Sorgfaltsmaßnahmen treffen, um sich keinem Vorsatzvorwurf aussetzen zu müssen.
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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 22. August 2025 den Entwurf des Gesetzes veröffentlicht.
Sie finden hier die Information zum Gesetzgebungsverfahren und den Entwurf zum Download: BMWE - Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union
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Im Bundesgesetzblatt Nr. 261 vom 31. Oktober 2025 wurde die 22. Novelle der AWV nun veröffentlicht und trat am Folgetag in Kraft.
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