Exportkontrolle EU, UK, US, CN: Extraterritoriale Ansätze unter der Lupe
Extraterritoriale Ansätze im Exportkontroll- und Sanktionsrecht verschiedener Länder sind viel diskutiert und führen in vielen Unternehmen zu großen Unsicherheiten. Aus diesem Grund wurde bei der AEB Veranstaltung GetReconnected 2021 eine Academy-Session zu diesem Thema angeboten. Das Interesse war groß, mit knapp 150 Teilnehmern war der 90-minütige Workshop gut besucht. Deswegen wird das Thema jetzt auch von AEB Seminare im kleinen Kreis angeboten. Maximal zwölf Teilnehmende sind zugelassen, wenn es in die nächste Diskussionsrunde geht:
Doch zurück zur Get ReConnected: Ziel des Workshops war es, gemeinsam mit den Teilnehmern die Exportkontroll- und Sanktionsvorgaben der EU, der USA, des Vereinigten Königreichs und Chinas auf ihren weltweiten Geltungsanspruch hin zu überprüfen. Das hört sich sehr theoretisch an, war es aber nicht:
Den Teilnehmern wurden konkrete Praxisfälle vorgestellt, die dann mittels Umfragen beurteilt werden konnten. Die Lösung haben wir dann gemeinsam besprochen. Mit den Praxisfällen wurde aufgezeigt, worauf es bei der Umsetzung extraterritorialer Vorgaben im Unternehmen ankommt und wo in der Praxis die Fallstricke liegen. Die erarbeiteten Ergebnisse sind auch für weitere Unternehmen hochinteressant – deshalb teilen wir sie in diesem Artikel.
Das Thema Extraterritorialität ist im Zusammenhang mit dem neuen chinesischen Exportkontrollgesetz verstärkt in den Fokus gerückt. Aussagen wie „[…] Wegen des extraterritorialen Geltungsbereichs treffen die Neuregelungen Unternehmen mit und ohne Niederlassung in China gleichermaßen. Unternehmen mit China-Geschäft sind daher gut beraten, Lieferketten und Handelswege schon jetzt einer kritischen Risikobewertung zu unterziehen und diese nötigenfalls an die neuen Vorgaben anzupassen […].“ sind keine Seltenheit und vermitteln den Eindruck, jedes deutsche Unternehmen mit China-Geschäft müsste sich um das neue chinesische Exportkontrollgesetz kümmern.
Rund um den Begriff der Extraterritorialität hat sich ein gefährliches Halbwissen aufgebaut und verbreitet. Unternehmen kommen deshalb nicht mehr umhin, sich selbst urteilsfähig zu machen. Dazu gehört in einem ersten Schritt den Begriff der „Extraterritorialität“ zu definieren und einzugrenzen.
Extraterritorialität in der Exportkontrolle: Was ist genau gemeint
Extraterritorialität bedeutet im Außenwirtschaftsrecht, dass ein Staat sein Recht auf Sachverhalte und Personen außerhalb seiner Grenzen anwendet und durchsetzt. Es liegt auf der Hand, dass dies in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Neben fehlenden Sprachkenntnissen, die Gesetze stehen meist nur in der Landessprache zur Verfügung, sind fehlende Rechtskenntnisse das elementare Problem. Als Folge davon fehlt es oftmals an der Rechtssicherheit bei der Umsetzung ausländischer Gesetze.
Dazu kommt, dass mangels Kenntnis des Rechtsystems auch die Sanktionsmöglichkeiten der ausländischen Behörden unbekannt sind. Auswirkungen hat dies in vielen Fällen auf die Festlegung der unternehmensinternen Prozesse. Geleitet von Angst und Unsicherheit sind Überregulierungen und damit verbundene negative Auswirkungen auf die eigene Geschäftstätigkeit des Unternehmens und auf die Lieferkette nicht selten. Eindrucksvolle Beispiele dazu bietet die Umsetzung des US-Re-Exportkontrollrechts in deutschen Unternehmen.
Im Folgenden werden die extraterritorialen Ansätze der EU-Embargoverordnungen, der Sanktionsgesetze des Vereinigten Königreichs, des neuen chinesischen Exportkontrollgesetzes (ECL), der amerikanischen Export Administration Regulations (EAR) und des amerikanischen Sanktionsrechts des OFAC betrachtet.
1. Extraterritorialität von EU-Sanktionsvorschriften am Beispiel des Art. 13 der EU-Embargoverordnung Nr. 833/2014 gegen Russland
Auszug aus Art. 13
Die EU-Embargoverordnung gegen Russland ist extraterritorial ausgestaltet, sie gilt weltweit, allerdings eingeschränkt auf die genannten Bezugsfaktoren:
- Natürliche Personen: Staatsbürgerschaft in einem EU-Mitgliedstaat
- Juristische Personen: Gegründet oder eingetragen nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats
Praxisbeispiel zur Entscheidung:
Muss das eigenständige russische Tochterunternehmen einer deutschen GmbH in Russland das EU-Embargo gegen Russland beachten?
- 48% unserer Workshopteilnehmer haben diese Frage mit „ja“ beantwortet und waren damit der Ansicht, dass auch die eigenständige russische Tochter in den Anwendungsbereich der EU-Embargoverordnung gegen Russland fällt.
- 52% stimmten dagegen.
Richtig ist, dass es sich bei der eigenständigen russischen Tochter um eine nach russischem Recht organisierte juristische Person handelt und diese damit nicht in den Anwendungsbereich der EU-Sanktionen gegen Russland fällt.
2. Extraterritoriale Geltung der Sanktionsregelungen des Vereinigten Königreichs
Auszug aus dem UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 Part 1, Chapter 1 Section 21 Extra-territorial application
Die Sanktionsvorschriften des Vereinigten Königreichs sind extraterritorial ausgestaltet, sie gelten weltweit, wenn folgende Bezugsfaktoren vorliegen:
- Natürliche Personen: Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs
- Juristische Personen: Gegründet oder eingetragen nach dem Recht des Vereinigten Königreichs
Praxisbeispiel zur Entscheidung:
Die deutsche A-GmbH mit Sitz in Stuttgart ist die eigenständige Tochter der britischen A Ltd. Fällt die A-GmbH in den Anwendungsbereich des UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018?
- 55% unserer Workshopteilnehmer haben diese Frage mit „ja“ beantwortet und waren damit der Ansicht, dass eine deutsche GmbH als Tochter eines UK-Konzerns dem UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 unterliegt.
- 45% stimmten dagegen.
Richtig ist, dass es sich bei der deutschen GmbH um eine nach deutschem Recht organisierte juristische Person handelt und diese damit nicht in den Anwendungsbereich des UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 fällt.
3. Extraterritoriale Geltung des neuen chinesischen Exportkontrollgesetzes (ECL)
Auszug aus dem ECL Artikel 2 Anwendungsbereich des ECL
Das neue chinesische Exportkontrollgesetz ist nicht extraterritorial ausgestaltet. Kontrolliert werden Exporte aus China und die Weitergabe kontrollierte Güter durch chinesische Personen (natürliche und juristische) an Ausländer, sog. Deemed Exporte.
Praxisbeispiel zur Entscheidung:
Ist ein deutsches Unternehmen, das chinesische Produkte in die USA ausführt vom neuen chinesischen Exportkontrollgesetz betroffen?
- 83% der Teilnehmer haben diese Frage mit „ja“ beantwortet und waren damit der Ansicht, dass das ECL in diesem Fall für das deutsche Unternehmen zur Anwendung kommt.
- Nur 17% sahen hier keinen Anwendungsfall des ECL.
Richtig ist, dass das ECL den Anwendungsbereich auf Exporte aus China beschränkt und Reexporte nicht in den Anwendungsbereich des ECL fallen.
4.1 Extraterritoriale Ausgestaltung der amerikanischen Export Administration Regulations (EAR)
Auszug aus den Export Administration Regulations (EAR)
Die EAR sind extraterritorial ausgestaltet, sie gelten weltweit, allerdings beschränkt auf die in § 734.3-5 EAR genannten Bezugsfaktoren:
- Natürliche Person: US-Staatsbürgerschaft, Greencard, erster Wohnsitz
- Juristische Person: Organisiert nach dem US-Gesellschaftsrecht, Unternehmen mit amerikanischer Gesellschaftsform
- US-Produkte gem. § 734.3 & 4 EAR
Praxisbeispiel zur Entscheidung:
Ist ein deutsches Unternehmen, das US-Produkte nach China ausführt vom US-Re-Exportkontrollrecht nach den EAR betroffen?
- 93% der Teilnehmer haben diese Frage mit „ja“ beantwortet.
- Nur 7% sahen hier keinen Anwendungsbereich der EAR.
Richtig ist, dass die EAR Reexporte von US-Produkten weltweit kontrollieren. Die Lieferung von US-Produkten nach China ist aus US-Sicht ein Reexport, der in den Anwendungsbereich der EAR fällt.
4.2 Extraterritorialität der amerikanischen Sanktionsvorschriften des OFAC
Auszug aus den Policy Issues des U.S. Department of the Treasury
Die Sanktionsvorschriften des OFAC sind danach nicht extraterritorial ausgestaltet. Der Anwendungsbereich der Sanktionsvorschriften des OFAC ist grundsätzlich beschränkt auf US-Personen (Primary Sanctions). Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die Sanktionsvorschriften gegen den Iran und Russland normieren auch für Nicht-US-Personen Sanktionen (sog. Secondary Sanctions).
Praxisbeispiel zur Entscheidung:
Der Vertriebsleiter der B-GmbH hat die US-Staatsbürgerschaft. Wird die B-GmbH dadurch zu einer US-Person und muss sämtliche vom OFAC verwalteten US-Sanktionen beachten?
- 41% der Teilnehmer haben diese Frage mit „ja“ beantwortet.
- 59% stimmten mit „nein“.
Richtig ist, dass eine nach deutschem Gesellschaftsrecht organisierte juristische Person durch die Anstellung eines US-Staatsbürgers grundsätzlich nicht zu einer US-Person im Anwendungsbereich der vom OFAC verwalteten US-Sanktionen wird. Die Definition der US-Person variiert allerdings je nach Gesetz und ist für den konkreten Anwendungsfall immer den Begriffsbestimmungen der einschlägigen Rechtsvorschrift zu entnehmen. Zu beachten sind insbesondere die abweichenden Definitionen der US-Person in den Embargo-VO gegen IR, CU, SY und KP.
Extraterritorialität in der Exportkontrolle: Fazit
Wer sich mit der extraterritorialen Ausgestaltung ausländischer Gesetze beschäftigt und nicht Opfer des Flüsterposteffekts werden möchte, kommt nicht umhin einen Blick in das ausländische Gesetz zu werfen und zu prüfen, ob diese extraterritorial ausgestaltet sind, welche Bezugsfaktoren für die weltweite Anwendung genannt werden und ob diese auf den konkreten Einzelfall Anwendung finden.
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Schöne Übersicht Frau Jasper, ganz liebe Grüße! Serkan Deniz 0 -
Herzlichen Dank Herr Deniz, Ihr positives Feedback freut mich Viele GrüßeUlrike Jasper0
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