Ab September: Alternative Ursprungsregeln im Pan-Europa-Mittelmeer-Raum
In die Freihandelsabkommen mit 20 Handelspartnern in der Pan-Euro-Med-Kumulierungszone sollen neue, optionale Ursprungsregeln aufgenommen werden. Jordanien ist das erste Land, für das die Anwendung der modernisierten Ursprungsregeln mit der EU ab 01.09.2021 offiziell wurde. Doch seit der Veröffentlichung im April gab es keine weiteren Meldungen dazu im EU-Amtsblatt.
Parallel zwei Arten der Präferenzermittlung zu ermöglichen, ist in der Praxis eine große Herausforderung. De facto steht dies für die Pan-Euro-Med-Kumulierungszone an.
Zum Hintergrund: Der Wunsch nach Modernisierung der Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln ist der Ausgangspunkt dieser Entwicklung. Dessen (bzw. gleichlautende) Ursprungsregeln werden in über 20 Abkommen der EU verwendet. Da die zur Änderung des Übereinkommens nötige Einstimmigkeit nicht erzielt werden konnte, wollen die Staaten, die den revidierten Regeln zustimmen, diese als optionale Regeln für die Wirtschaftsbeteiligten zusätzlich zu den fortbestehenden Regeln des Regionalen Übereinkommens in ihre Abkommen aufnehmen.
Ein Ende des Ratifizierungsprozesses wurde zum 01.09.2021 anvisiert. Veröffentlicht wurde bislang nur der Beschluss zur Umstellung des Abkommens EU-Jordanien auf das Regionale Übereinkommen mit der gleichzeitigen Hinzunahme der optionalen Regeln.
Was soll sich durch die neuen Ursprungsregeln ändern?
Die vorgeschlagenen modernisierten Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens wurden bereits am 30.12.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union L 339 veröffentlicht. Sie sind die Basis für die neuen optionalen “Übergangsregeln”. Auf Präferenznachweisen und damit auch auf den Lieferantenerklärungen, muss, falls zutreffend, auf die Anwendung der neuen Übergangsregeln hingewiesen werden. Dies sind die angestrebten Vorteile der neuen Regeln:
- Einfachere produktspezifische Regeln in Hinblick auf Struktur und Erfüllbarkeit durch Produktion in der Europäischen Union
- Anhebung der allgemeinen Toleranz für Materialien ohne Ursprungseigenschaft von 10 % auf 15 %
- Möglichkeit der Verwendung von Durchschnittspreisen bei Vormaterialien und Erzeugnissen
- Einführung der vollständigen Kumulierung, d.h. das Einbeziehen von Be- und Verarbeitungsschritten, die für sich alleine noch nicht zum Präferenzursprung geführt haben
- Präferenznachweise sind EUR.1 und Ursprungserklärung; EUR-MED und Ursprungserklärung-MED entfallen. Auf die Anwendung der neuen Regeln muss mit dem Zusatz ‚TRANSITIONAL RULES‘ bzw. dem in die Ursprungserklärung integrierten Wortlaut ‚gemäß den Übergangsregeln‘ hingewiesen werden.
- Grundsätzlich ist vorgesehen, dass auf eine etwaige Kumulierung durch einen Textzusatz hingewiesen wird. Allerdings können die Staaten auf diese Angaben verzichten.
- Ergänzung beim Ab-Werk-Preis: Wenn die letzte Be- oder Verarbeitung als Unterauftrag an einen Subunternehmer vergeben wurde, bezieht sich der Begriff ‚Hersteller‘ auf das Unternehmen, das den Subunternehmer beauftragt hat. Dann kann der Ab-Werk-Preis des Auftraggebers in der Kalkulation herangezogen werden.
- Wegfall des Draw-Back-Verbots für bestimmte Produkte
- Ersetzung des Direktbeförderungsgebots durch eine Nicht-Manipulations-Regelung
Welche Abkommen sind betroffen?
Voraussichtlich sind die Abkommen der EU mit folgenden Ländern berührt: Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz, Türkei, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, die palästinensischen Gebiete‚ Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Georgien, Republik Moldau, Ukraine und Färöer.
Welche Folgeaufwände sind zu erwarten
Unternehmen sind also gut beraten, ihre Aufwände zu schätzen, bevor sie sich für die alternativen Ursprungsregeln entscheiden.
Will man die Übergangsregeln nutzen, muss man global, von festen Kriterien abhängig, oder für den Einzelfall verwalten, ob man die bisherigen Regeln oder die Übergangsregeln anwendet, und verwalten können, ob der Lieferant dies getan hat. Zudem muss bei der Erstellung von Präferenzdokumenten (z.B. Ursprungserklärungen und Lieferantenerklärungen) auf die Anwendung der Übergangsregeln hingewiesen werden. Bei Lieferantenerklärungen kann diese Angabe nicht nur von den jeweiligen Materialien, sondern auch von den einzelnen Abkommen abhängen.
Zudem stellt sich bei Anwendung der neuen Ursprungsregeln die nicht beantwortete Frage, ob Materialien, die ihren Ursprung gemäß den bisherigen Regeln (entsprechend dem Regionalen Übereinkommen) erworben haben, als Vormaterialien mit Ursprung gemäß der Übergangsregeln gelten.
Weitere Informationen zu den Übergangsregeln auf den Seiten der Europäischen Kommission
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Inzwischen haben die EU-Kommission, die deutsche und die eidgenössische Zollverwaltung über die Neuerungen informiert bzw. ihre Unterlagen aktualisiert. Damit kann die zuletzt aufgeworfene Frage beantwortet werden: Materialien, die ihren Ursprung gemäß den bisherigen Regeln (entsprechend dem Regionalen Übereinkommen) erworben haben, gelten nicht automatisch als Vormaterialien mit Ursprung gemäß der Übergangsregeln. Will man die Übergangsregeln nutzen, benötigt man ggf. erst für die Vormaterialien neue Ursprungsnachweise/Lieferantenerklärungen, die auf die TRANSITIONAL RULES hinweisen.Guidance "Transitional PEM rules of origin" (EU-Kommission, in englischer Sprache)Fachmeldung der deutschen ZollverwaltungEinstiegsseite der EZV0 -
Im Wettrennen um einen Platz im EU Amtsblatt hatte unlängst die PLO die Nase vorn: Der Beschluss Nr. 1/2021 des gemischten Ausschusses EU-PLO vom 30. August 2021 zur Änderung des Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits durch Ersetzung des Protokolls Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in“ oder „Ursprungserzeugnisse“ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen wurde am 16.9.21 als zweites veröffentlicht. Darin wurden die Übergangsregeln als zusätzliche Option mit Wirkung 1.9.21 in das Ursprungsprotokoll aufgenommen.
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Hallo Community,mit der ATLAS-Teilnehmerinfo 0226/21 informiert der Zoll darüber, dass nun weitere Länder diese Regeln anwenden.Einen aktuellen Stand der Länderliste sowie weitere Information erhalten Sie in folgender Zusammenstellung des Zoll:Regionales Übereinkommen über die Pan-Europa-Mittelmeer-PräferenzursprungsregelnFreundliche GrüßeThomas PaulusAEB Service & Support0
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