Lieferkettengesetz: Entwürfe in Deutschland und Europa vor der Abstimmung
Vorreiter für Herkunftszertifikate sind im Kimberley-Prozess 2003 für Diamanten zu finden. Für die Konfliktmineralien Gold, Zinn, Tantal und Wolfram hat die EU am 17. Mai 2017 die Verordnung (EU) 2017/821 erlassen, die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Importeure regelt. Diese ist seit 1. Januar 2021 in Kraft. Mit den europäischen, deutschen sowie weiteren nationalen Lieferkettengesetzen wird diese Sorgfaltspflicht erweitert.
Wer ist ab wann betroffen?
Der Referentenentwurf sieht vor, dass das neue deutsche Lieferkettengesetz (Sorgfaltspflichtengesetz) vom 1. Januar 2023 an für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten soll, ab Anfang 2024 auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen ist allerdings nicht vorgesehen. Doch die zuständige Kontrollbehörde – das Bundesministerium für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – soll ein “robustes Mandat” erhalten, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, mit dem Zwangs- und Bußgelder verhängt werden können. Bei besonders hohen Bußgeldern sollen Unternehmen außerdem in der Folge bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden können. “Ein Gesetz mit Zähnen” nennt Hubertus Heil es daher.
Von Unternehmen wird eine Risikoanalyse voraussichtlich in unterschiedlichen Ausprägungen erwartet. Im Fokus steht der eigene Geschäftsbereich, z. B. bei Tochterunternehmen oder unmittelbaren Zulieferern. Darüber hinaus bei mittelbaren Zulieferern bis hin zum Rohstofflieferanten ist dies nur abgestuft zu überprüfen. Als Risikofelder werden Zwangs- oder Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen sowie Umweltschädigungen genannt. Zudem wird für die betroffenen Unternehmen gesetzlich eine jährliche, öffentliche Berichterstattungspflicht installiert.
Private Geschädigte können sich nach dem Lieferkettengesetz dann vor deutschen Gerichten durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder Gewerkschaften im Wege der Prozessstandschaft vertreten lassen, wenn es zu Verstößen gegen Standards in der Lieferkette kommt.
Wann der Referentenentwurf auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) einsehbar sein wird, ist noch nicht bekannt. Nach dem gemeinsamen Pressetermin meldete das Bundeswirtschaftsministerium, dass es noch Unstimmigkeiten zu einigen Punkten gibt.
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Wie handeln Nachbarstaaten?
Weitere Staaten in Europa haben sich bezüglich der Sorgfaltspflicht bereits auf den Weg gemacht. So verabschiedete das britische Parlament schon 2015 den “Modern Slavery Act” gegen moderne Formen der Sklavenarbeit und gegen Zwangsarbeit. In den Niederlanden gilt das “Child Labour Due Diligence Law” und in Frankreich das “Loi de vigilance”, das die unternehmerische Sorgfaltspflicht für Menschenrechte für größere Unternehmen entlang der Lieferkette festlegt. Auch in Österreich gibt es eine unabhängige Bürgerinitiative und obwohl die notwendige Mehrheit für den Gesetzesentwurf der “Konzernverantwortungsinitiative” in der Schweiz nicht erreicht wurde, geht nun ein Entwurf des Parlaments in die Umsetzung.
Der europäische Rahmen
Von Unternehmen in vielen EU-Staaten wird eine einheitlich europäische Lösung gefordert. Der Anfang des Wegs ist gemacht: Am 27. Januar hat der Rechtsausschuss des Europaparlaments für einen konkreten Vorschlag für eine europäische Richtlinie zum Lieferkettenmanagement gestimmt. Dieser Vorschlag wird im März vom Plenum des Europaparlaments voraussichtlich bestätigt. In diesem Vorschlag verlangt der Rechtsausschuss, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Unternehmen haftbar gemacht werden können und ggf. Ausgleichszahlungen für Schäden leisten.
Jetzt wird es darum gehen, praktikable Rahmenbedingungen festzulegen, so dass Unternehmen sich an klaren Handlungsempfehlungen orientieren können.
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Der Referentenentwurf zum "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist am 3. März 2021 erschienen. 0 -
Weitere Ergänzung: Am 10. März hat das Europaparlament einen Gesetzesvorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz beschlossen.0
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